Ganzheitlicher Begriff der Führungsarbeit
Die Begriffe „Führungsarbeit“, „Führungsgeschehen“, „Führungshandeln“ und „Management“ werden hier grundsätzlich synonym verwendet. Im Rahmen des FIDES-Forschungsansatzes, der möglichst ganzheitlich reale Führungsprobleme – sowohl der Führenden, als auch der Geführten – empirisch analysieren will, wird daher ein möglichst weiter Führungsbegriff verwendet (vgl. Marettek 2015, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative, S. 32):
- Es geht um das, was Leiter (= Führungskräfte) praktisch tun
- was sowohl ein neutraler Dritter im Sinne der empirischen Managementforschung beobachten könnte (z.B. durch Interviews bzw. Teilnahme an gemeinsamen Besprechungen oder Auswertungen schriftlicher Äußerungen)
- was aber auch der Führende selbst beobachten kann (zwangsläufig mit begrenzter Objektivität)
- was auch der Geführte beobachten kann (ebenfalls mit begrenzter Objektivität).
Nach Überzeugung von Christian Marettek (wissenschaftlicher Leiter FIDES) ist es wichtig, nach Möglichkeit in jedem Forschungsprojekt die genannten drei primären empirischen Quellen (Beobachtungen von neutralen Personen, Äußerungen der Führenden sowie der Geführten) systematisch zu kombinieren und dabei auch alle feststellbaren Einschätzungen und Einstellungen der Beteiligten (sekundäre Quellen) nicht außer Acht zu lassen.
Der so möglichst weit gefasste Führungs- bzw. Managementbegriff ermöglicht daher außerdem eine wissenschaftliche Brücke zu den philosophisch-theologischen Fachdisziplinen: das was die Beteiligten dabei denken – welche Gründe sie z.B. für ihr Verhalten nennen – ist nach dem wissenschaftsphilosophischen Pragmatismus ebenfalls im Forschungsdesign einzubeziehen!
Hintergrund: der philosophische Pragmatismus, der damit als Klammer der wissenschaftlichen Fachdisziplinen wirken kann, geht zurück u.a. auf Dewey 1991, A Common Faith, und Peirce 1991, Vorlesungen über Pragmatismus. Vgl. ergänzend als aktuelle Vertreter des philosophischen Pragmatismus z.B. Nida-Rümelin 2013, Philosophie einer humanen Bildung, S. 84; Schreyögg 2007, Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre: zwischen Integration und Zerfall, in: Zukunftsperspektiven der Betriebswirtschaftslehre, S. 18.
Beziehungsorientiertes Führungsverständnis
Die ganzheitliche Begriffsbildung, was Führungsarbeit ist, hat Konsequenzen für die hier vertretene Führungs- bzw. Managementlehre.
In der Praxis hängt das, was Führungskräfte tun oder nicht tun, natürlich von einer Fülle weiterer Einflussfaktoren ab:
- den jeweiligen rechtlichen, organisatorischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und
- der Qualität der zwischen den Beteiligten existierenden individuellen Beziehungsgeflechte.
Die zuletzt genannte Qualität der individuellen Beziehungsgeflechte, wie sie im Laufe des (Berufs-) Lebens entstanden sind, werden in der Forschung erst allmählich berücksichtigt. Vgl. Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S. 16 u. 84; Maak/Pless 2006, Responsible leadership, A relational approach, in: Maak, Thomas, Pless, Nicola M., (Etd.), Responsible Leadership, S 50; Beaton 2012, Relationships Matter Most, in: Max DePree Quotes and Questions, http://depree.org/relationships-matter-most (abgerufen am 28.07.2012); Weißer 2012, Die Qualität der Beziehung ist für die Führung entscheidend, Das Miteinander von Führungskräften und Beschäftigten wird unterschätzt, in Innovative Verwaltung 2012, S. 23.
Im Jahr 2006 haben die St. Gallener Wissenschaftler Thomas Maak und Nicola Pless in einer gemeinsamen Studie mit INSEAD Fontainebleau und PwC herausgearbeitet, dass verantwortungsbewusste Führungsarbeit ohne intensive Beziehungsarbeit nicht denkbar ist. Vgl. Maak/Pless 2006, Responsible leadership, A relational approach, S. 50, wo sie zum Fazit kommen (vgl. Marettek 2013, Wirksames Management für öffentliche Einrichtungen, S. 141):
„Responsible leadership is about building and sustaining trustful relationships to all relevant stakeholders by being servant, steward, architect, change agent, coach and storyteller“.